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Sonntag, 10. Januar 2010

Die Last


Ich laufe eine Straße entlang. Auf dem Weg nach Hause sehe ich eine in schwarz gehüllte Gestalt. Sie kann mir nicht ins Gesicht blicken, denn das ihre ist fest auf dem Boden gerichtet. Sie läuft vorn über gebeugt die Schultern hängen schlapp herunter. Es sieht aus, als würde die Last der Welt auf ihr ruhen. Ich spüre wie mir diese Person Leid tut und habe das dringende Verlangen wenigstens einen Teil der Last zu nehmen. Doch ehe ich jenes Vorhaben durchführen kann ist die Person verschwunden. Ich führe den Weg nach Hause fort, als plötzlich ein Mann weit vor mir erscheint. Ich gehe auf ihn zu. Während diesem Gang wird mein rechter Arm immer schwerer. Er fühlt sich an, als trage er eine schwere Tasche. Jeder Schritt wird schwerer, langsam fängt meine Schulter von der Last an zu schmerzen. Der Schmerz geht tiefer und tiefer. Fast hatte ich den Mann erreicht, als ein zerschneidender Schmerz meine ausgekugelte Schulter ankündigt. Ich bin kurz davor ebenso gebrochen zu sein, wie die schwarze Gestalt, als ich endlich vor dem Mann stehe. Er strahlt Wärme und Harmonie aus, die mich zu ihm hin gezogen hatte. Er spricht: „Lass mich deine Last nehmen.“ Ich versuche ihm diese zu geben, doch kann ich meinen Arm nicht mehr heben. „Darf ich dir helfen?“, fragt der Mann. Erschöpft nicke ich. Der Mann nimmt mir mit seiner Linken die Last und streichelt mit seiner rechten Hand die Schulter. Mit seiner Berührung wich der Schmerz aus meiner Schulter. Erstaunt blicke ich in sein Gesicht. Er lächelt mich erwärmend an und fragt: „Geht es dir besser?“ „Ja“, seufze ich erleichtert. Ich blicke auf und sehe mich um. Um mich her laufen noch mehr schwarze bucklige Gestalten. Ich frage den netten Mann: „Wieso hilfst du ihnen nicht? Ihnen geht es doch noch viel schlimmer als mir.“ „Ich habe sie alle gefragt, doch sie wollten meine Hilfe nicht. Es tut mir im Herzen weh, doch ich kann ihnen nicht helfen.“ Eine der Gestalten schreit laut auf und fällt neben mir auf die Knie. Sie schreit die Schmerzen, die von der Last ausgelöst wurden, aus, doch das hilft nicht. Ihr Geschrei zerreißt mir das Herz und ich werde wütend, weil der Mann nichts tut. „Mach doch etwas!“ schreie ich ihn an. „Er hat schreckliche Schmerzen. Nehme ihm die Last doch einfach fort!“ „Er will meine Hilfe nicht.“, erwidert der Mann ruhig, „Ich kann ihm die Last nicht einfach wegnehmen, wenn er das nicht will. Weißt du was passieren würde täte ich dies?“ „Ich will nichts lernen ich will das du ihm hilfst, “ schrie ich weiter. Der Mann blieb auch weiterhin ruhig: „Würde ich nicht auf seinen Willen hören, würde ich ihm seinen freien Willen nehmen. Ohne freien Willen wird der Mensch zum Tier.“
Es wird ruhig. Das Geschrei ist erloschen. Ich sehe hinab auf die Gestalt am Boden. Sie ist leblos. Als ich wieder aufsehe ist der Mann weg.
Nach diesem Geschehnis sehe ich mich deutlicher um. Ich sehe nun neben jeder schwarzen Gestalt einen Mann stehen, der versucht mit den Gestalten zu reden. Es ist interessant ihre Reaktionen zu sehen.
Da gibt es jene, die sich immer wieder von dem Mann abwenden und versuchen ihn zu ignorieren. Andere versuchen, so schnell es mit der Last möglich ist, von dem Mann fort zu rennen und halten sich dabei die Ohren zu. Doch der Mann bleibt ruhig und immer an ihrer Seite. Dann gibt es welche, die den Mann anschreien und beleidigen, doch auch bei ihnen bleibt der Mann, egal wie sehr er auch verletzt wird. Es gibt jene, die mit dem Mann gehen. Sie reden und lachen mit ihm, doch die Last geben sie nicht ab. Manch eine Gestalt lässt sich die Last nehmen, doch beim genauen Hinsehen erkenne ich wie die Gestalt kurz darauf wieder die Last trägt und es fällt ihr immer schwerer sie wieder weg zu geben.
Während den Beobachtungen laufe ich weiter nach Haus. Auch ich lade immer wieder Last auf mich. Der Mann kommt und nimmt sie mir gerne ab. Als ich ihm meine Last gebe, fallen mir seine Mahle in seinen Handflächen auf. Einst mussten ihn diese Mahle furchtbare Schmerzen erleiden lassen. Doch kann ich keinerlei Last an ihm finden, dass er selber verursacht hatte. Diese Schmerzen hätte er nicht erleiden dürfen.
Auf dem Weg nach Hause, in Begleitung des Mannes, lerne ich ihn lieben und schätzen. Er ist der Einzige der immer an meiner Seite war und ist, mir seine Hand reicht wenn ich falle.
Ich bin meinem zu Hause nicht mehr fern. Am Horizont kann ich die Lichter erkennen, die mein Heim ankündigen. Die Gestalten werden immer weniger, denn nur wenige schaffen den schweren Weg nach Hause. Endlich stehe ich vor einem großen Tor. Es strahlt eine unglaubliche Wärme aus. Ich sinke auf die Knie und rufe: „Dank Gott! Ich bin zu Hause!“

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